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In unserer intelektuell geprägten Welt können wir Eines besonders gut: logisch denken. Wir bringen mit Leichtigkeit und gekonnt die Dinge des Alltags in Zusammenhang, und handeln immer aus dem dominierenden, allwissenden Verstand heraus, immer erklärbar, nachvollziehbar, einfach logisch! Diese Verstandeslogik prägt nicht nur unseren sozialen Alltag, sondern auch unseren gesamten Arbeitsalltag.

Was dabei leider vollkommen in Vergessenheit geraten zu sein scheint ist, dass wir mehr als logische Wesen sind. Die Logik ist hilfreich und macht die Welt zu einer halbwegs objektiven und sicher einschätzbaren Angelegenheit. Aber genau hier ist die Stärke der Logik gleichzeitig ihre Schwäche!

Wir scheinen vergessen zu haben, dass sich unser logischer Verstand, aus dem Kontext unseres gesamten Lebens- und Erfahrungsschatzes, vermeintliche Fakten zu einer logischen Welt zusammenbastelt. Diese Fakten können auf stabilen Daten und Werten beruhen, die durch objektives Messen, Wiegen und Datieren zu belegen sind. Aber unsere Logik speist sich auch aus subjektiv wahrgenommenen Hintergründen. Wir haben nämlich immer auch ein individuelles Gefühl zu einer objektiven Sachlage, und, wie Gewürze beim Kochen den Geschmack bringen, betonen und hervorheben, streuen wir unsere Gefühle in unsere Logiksuppe, und kreieren so unseren individuell gewürzten Geschmack des Lebens. Mit diesem so kreierten Geschmack kommen wir oft überhaupt nicht zurecht, weil wir uns nicht erinnern, diese Gewürze in unserem großen und bunten Gefühlsvorrat gespeichert zu haben. Sie überraschen uns. Bis hin zu der Unfähigkeit, sinnvoll, verständig und zielführend mit ihnen umzugehen!

 

Wie entstehen Gefühle in meinem Leben?

Das Wundervollste, was wir als Kind erfahren können ist, dass unsere Eltern uns achtsam und respektvoll ins Leben begleiten, uns entwickeln lassen, wie es für uns genau passt, uns von Herzen lieben, so wie wir sind und ein Leben lang stärkend und vertrauend hinter uns stehen. Nur Eltern, die dies Alles selbst erfahren haben, sind dazu in der Lage, uns diese Wundertüte des Lebens mitzugeben! Nur dann wissen wir als heranwachsende Kinder genau, wie unsere eigene Gefühlswelt tickt, und nur dann wirken Logik und Emotionen ausgewogen, wachstumsorientiert und bereichernd zusammen.

Doch unsere Welt, mit all ihren Erziehungstheorien und emotional selbst belasteten Eltern, bringt uns etwas anderes bei! Als erstes sind wir schon im Bauch unserer Mama nicht richtig so wie wir sind. Das wird uns bei den ersten Ultraschalluntersuchungen bereits schriftlich gegeben. Nach unserer Geburt genießen wir die Erziehung. Das bedeutet: Wir werden auf Kosten unserer individuellen Entwicklung in ein möglichst reibungslos funktionierendes Sozialleben hineingepresst. Die Eltern geben ihre eigenen Beschränkungsmuster an uns weiter. Man nennt es Erziehung, und man hat sich wahrscheinlich noch nie so recht Gedanken darum gemacht, was genau denn da erzogen wird! Gibt es etwas im Menschen, das man nur noch in die Länge und in die Breite ziehen muss? Es würde wohl besser „Beschränkung“ heißen. Jeder Mensch nimmt mehr oder weniger schmerzhafte Einschränkungen aus seiner Kindheit mit. Diese dienen im besten Falle dazu, sich im späteren Alter an ihren Auswirkungen weiterzuentwickeln und zu reifen. Unter Anderem, damit man den eigenen „Schaden“ nicht wieder an die eigenen Kinder weitergeben muss! Zumeist geschieht diese Weiterentwicklung jedoch nicht.

All das, was uns an Gefühlen in der Kindheit geprägt hat, tragen wir als Eigenheiten, als „Gewürzregal“, mit uns herum. Bis spätestens zum sechsten Lebensjahr ist unsere emotionale Prägung, die wir durch die Erziehung erfahren, abgeschlossen. Danach werden dieselben gelernten Muster, egal ob sinnvoll oder hinderlich, immer wieder für das Erleben unserer Umgebung, wie gefärbte Gläser einer Brille, wirksam. Man sieht und fühlt die Welt durch die eigene, ganz spezielle Glasfärbung.

Es ist vollkommen gleichgültig, ob wir Probleme mit unserer Gesundheit bekommen, ob unser Chef oder unsere Kollegen eine Herausforderung für uns sind, ob wir Themen mit der Erziehung unserer eigenen Kinder haben, Geldmangel uns plagt oder der/die Partner/in uns mit Problemen überfordert, immer werden die alten gespeicherten Emotionen und Prägungen in uns angeregt. Als Kind haben wir jedes Gefühl als Emotion in unserem „Gefühls-Gewürzregal abgespeichert und als Erwachsener greifen wir auf dieses „Gefühls-Gewürzregal“ zu. Wir fühlen die Erwachsenenwelt so wie unsere Gefühlswelt bereits in der Kindheit angelegt wurde.

 

Emotionale Intelligenz kontra logischen Verstand

Diesen wichtigen Faktor des menschlichen Lebens, haben wir in unserem intellektuell ausgerichteten Schulprogramm als junger Mensch nie erklärt bekommen. Wir haben mit Sicherheit viel logisches Wissen in uns hineingestopft, aber wie das Leben funktioniert, welche Regeln für ein angenehmes Leben gelten, wie ich mit schmerzhaften und verletzenden Gefühlen umgehen kann, wie ich meine Wut und Trauer leben kann, wie ich ein reifer und sinnerfüllter Mensch sein kann, hat man in unserer Kultur als Schulfach vernachlässigt! Und die Eltern sind an diesem Punkt des Lebens komplett überfordert. Da sie selbst nie lernen durften, zu fühlen und emotional zu reifen, sind sie als gute Beispiele „wie Leben gehen könnte“ nicht zu gebrauchen!

Alles nicht so schlimm, könnte man denken! Die Welt funktioniert doch!

Nein, tut sie nicht, denn das rein intellektuelle Lernen, das die emotionale Intelligenz außer Acht lässt, hat uns in die vielen Sackgassen geführt, in denen wir uns gerade bei zahlreichen gesellschaftlich schwierigen Themenkreisen wiederfinden. Weggedrückte Emotionen und kein lebendiger Umgang mit der Gefühlswelt, führen im Alltag und der Berufswelt zu Problemen wie: Mobbing, Burnout, Sinnlosigkeit, Leere, Trennungen von Ehen und Partnerschaften, Generationskonflikte, schwierige, fast unerziehbare Kinder, viel Krankenstand, viel Orientierungslosigkeit, viel ungelebte Wut, viel Aggression beim Autofahren, viel Aggression im Alltag, schwierige Arbeitssituationen, etc.

 

Das kann doch unmöglich mit meiner Kindheit zusammenhängen …!

Doch kann es! Denn alles, was wir als Kind erfahren haben, werden wir in unserem weiteren Leben immer wieder auf die verschiedensten Weisen erfahren! Das einmal „gewählte und anerzogene“ Programm läuft auf allen Ebenen, nur die Statisten und Darsteller der Szenarien wechseln. Aber die Gefühle und die grundlegenden Ursachen sind gleich und bereits in unserer Kindheit ursächlich angelegt.

 

  1. Damals, als ich als dreijähriges Kind ungeschützt der Wut meiner Eltern gegeneinander ausgeliefert war, habe ich für meine Umgebung unbemerkt das Vertrauen ins Leben verloren!
  2. Damals, als als dreijähriges Kind meine Schwester neidisch auf mich war und mich verpetzt hat, habe ich mich entschieden in Zukunft zu lügen, um so eine Scham wie damals nie wieder fühlen zu müssen!
  3. Damals, als vierjähriges Kind, als die Oma gestorben war, und ich nicht erklärt bekommen habe was geschehen war, habe ich entschieden meine Trauer für immer zu verbergen, weil mich eh niemand verstehen kann, und ich anscheinend falsch bin mit meinen Gefühlen.
  4. Damals, als ich als sechsjähriges Kind Angst hatte, alleine in die Schule zu gehen, haben mich alle ausgelacht. Ich habe mir geschworen nie wieder meine Angst zu zeigen, und nach außen so zu tun, als ob alles in Ordnung sei, egal wie schlecht es mir geht.
  5. Damals, als zweijähriges Kind, als ich mich immer vor dem Opa geekelt habe, und alle gesagt haben ich soll mich nicht so anstellen und ihm einen Kuss geben, habe ich verlernt meine eigenen Grenzen zu setzen. Ich kann bis heute nicht für mich und meine Grenzen einstehen, und ich weiß nicht, ob und wann ich überhaupt anderen Menschen Grenzen setzen darf.

Wir lernen also von klein an alles, was uns im Leben zur Orientierung an Gefühlen dienlich sein könnte, tief in einer Schublade des Unbewussten zu vergraben. Aber diese Gefühle sind nicht weg, sie sind nur gut versteckt. Sie sind genau die „Gewürze“ des Lebens, die die eigene Logik verzerren, und meistens, von uns nicht bewusst bemerkt, die Suppe versalzen!

 

Bis hierher ist das Alles das „ganz normale Leben“!

Wenn wir nun durch unser Leben spazieren, könnten wir bei genauem Hinschauen erkennen, dass uns unsere alten Prägungen jeden Tag aufs Neue begegnen. Die Erlebnisse im Alltag lassen uns tatsächlich den nichtverarbeiteten alten Schmerz spüren. Wir wissen jedoch leider nicht, das wir nur erinnern und nicht neu fühlen. Weil wir niemals von irgendjemandem diese Lebensspielregeln erlernen durften, ist uns eine solche Denk- und Fühlweise vollkommen fremd. Wir sind doch jetzt erwachsen, und weit über unsere Kinderthemen hinausgewachsen, heißt es dann! Ja, körperlich schon, aber unsere Gefühle sind leider steckengeblieben. In genau dem Alter, in dem wir den seelischen Schmerz erfahren haben. Nun gilt es, sich dies einzugestehen und die vergessenen Gefühle in das aktuelle zahlenmäßige Alter zu transferieren.

 

Die möglichen Folgen aus den oben beschriebenen Beispielen:

Zu 1. Ich tue mich heute schwer, Vertrauen in einen Partner oder eine Partnerin zu haben; überhaupt fällt es mir schwer, jemanden an mich heranzulassen und zu vertrauen.

Zu 2. Ehe ich mir ein Problem eingestehe, lüge ich, dass es mir gutgeht und ich kein Problem habe, weil ich mich sonst so sehr schämen muss. Aber mich nerven Leute, die offensichtlich Lügen verbreiten!

Zu 3. Wenn mich etwas traurig macht, überspiele ich es gekonnt und bewahre die Contenance. Niemals würde ich heute weinen oder meine wahren Gefühle zeigen. Ich lache alle Leute aus, die gefühlvoll sind.

Zu 4. Wenn ich heute Angst fühle, überspiele ich sie und nehme lieber eine Beruhigungstablette. Aber inzwischen machen mir so viele Dinge Angst, dass ich voll überfordert bin und oft sogar Panikatacken habe.

Zu 5. Auch wenn ich etwas tun muss, was ich überhaupt nicht will, würde ich das nie sagen. Ich bleibe immer freundlich und spiele darüber hinweg. Mich hat dann jeder lieb und ich fühle mich besser und anerkannt. Ein Nein und meine gesunden Grenzen kenne ich nicht, aber ich habe bald keine Kraft mehr, meinen Alltag zu bewältigen.

Vielleicht sind Sie jemand, der in jeder misslichen alltäglichen Situation mit der Familie oder den Kollegen die Schuld bei sich fühlt? Dann fragen Sie sich doch einmal, wie es in ihrer Kindheit war?

Vielleicht sind sie jemand, der immer wieder mit Frauen in der Umgebung Probleme hat? Dann schauen sie doch einmal, wie das Verhältnis zu Ihrer Mutter oder den Schwestern in Ihrer Familie war!

Vielleicht fühlen Sie sich in ihrem Arbeitsumfeld gemobbt? Dann schauen Sie doch einmal, ob Sie in Ihrer Herkunftsfamilie auch immer die Kleine, Dumme, Tollpatschige waren, die nicht so sehr erwünscht war?

Vielleicht haben Sie immer Probleme mit Ihren männlichen Chefs? Dann schauen Sie doch einfach mal, ob Ihr Papa sie als Kind wertgeschätzt und Ihnen den Rücken gestärkt hat?

Wenn nicht können Sie hier, an solch einfachen Beispielen, die Wiederholungen, das Erinnern, der alten Emotionen entdecken, und was toll ist, Sie können diesen Zustand aktiv selbst ändern.

 

Warum fällt uns dieser Blick auf die Zusammenhänge in unserem Leben so schwer?

Wir haben unsere schmerzlichen Gefühle als Kind gut getarnt und verborgen. Wenn wir jetzt im Berufsalltag oder in der Familie mit diesen Emotionen in Berührung kommen, fürchten wir uns unbewusst vor dem alten Schmerz und blocken ihn ab. Ich kann zwar erkennen, dass der Chef sich blöd verhält, und das sein Verhalten bei mir ein Gefühl auslöst. Dass dies allerdings das gleiche alte Gefühl aus den Kindertagen mit meinem Papa sein soll, will ich nicht wirklich wahrhaben. Das tut viel zu sehr weh.

Ich kann zwar sehen, dass die Kolleginnen immer mir die Schuld geben, dass ich selbst aber einen Anteil daran habe, weil ich das Verhalten seit Kindertagen einstudiert habe, möchte ich besser nicht erkennen. Dann könnte ich selbst an der Situation ja etwas ändern!

Ich kann zwar sehen, dass mich die Anderen zum Opfer machen und mich aus dem Job rausdrücken wollen, aber dass ich schon als Kind in der Familie eine ähnliche Rolle gespielt habe, lasse ich außen vor. Andere zu beschuldigen und die Verantwortung abzuschieben ist so viel einfacher!

Wir schleppen lieber den Schmerz weiter mit uns herum, haben Probleme und Diskussionen auf der Arbeit, Teamgespräche und Coachings bis zum Abwinken, bevor wir uns unserer Themen annehmen und sie lösen. Der Schmerz wird immer größer, bis wir es schaffen in unsere Spiegel zu schauen und an unseren Ursachen zu arbeiten. Alle Versuche zur Verhaltensänderung im Außen sind sinnlos, wenn die Ursachen im Inneren nicht erkannt und gelöst werden!

Sie sehen schon, das Leben wäre so einfach, wenn wir bereit wären, uns emotional zu entwickeln, aber wir durften es nie lernen und so machen wir es uns unnötig schwer! Denn wenn wir auf diese Weise einmal unser gesamtes Leben betrachten, lösen sich sehr viele Probleme einfach auf. Es bedarf zweierlei Erkenntnis:

  1. Eine emotionale Entwicklung unsererseits kann die Ursachen vieler problematischer Erscheinungen unseres Alltags und des Arbeitslebens lösen.
  2. Es gibt effektive Methoden, mit denen man ursächliche emotionale Blockaden im eigenen Leben lösen kann, um damit das jetzige Leben zu erleichtern.

Nur wenn wir es schaffen, uns als ganzen Menschen, mit Verstand und Emotionen, anzunehmen und zu verstehen, werden wir die Sackgassen, in denen wir uns gesellschaftlich befinden, in mehrspurige Durchgangsstraßen wandeln können.

 

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